Ziel der jetzt erarbeiteten Ernährungsstrategie ist eine „Pflanzenbetonte Ernährung“.
„In Deutschland liegt der Fleischkonsum deutlich über dem ernährungsphysiologisch empfohlenen. Zudem benötigt die Erzeugung tierischer Lebensmittel teilweise ein Mehrfaches der darin enthaltenen Energie in Form von Futterpflanzen und ist mit hohen Treibhausgasemissionen und Umweltbelastungen verbunden.
Dies geht mit einem hohen Einsatz begrenzter Ressourcen wie Wasser, fossiler Energien und Böden (landwirtschaftlicher Flächen) einher, die künftig auch verstärkt für den Ausbau natürlicher CO2-Senken benötigt werden, und es trägt erheblich zum Rückgang der biologischen Vielfalt bei. Gleichzeitig erschließt jedoch eine an die natürlichen Bedingungen angepasste Tierhaltung wertvolle Dauergrünlandflächen für die menschliche Ernährung. Sie kann ein sinnvoller Teil einer ökologisch angepassten Kreislaufwirtschaft durch Zurverfügungstellung organischer Dünger sein. Ziel ist es insoweit, eine pflanzenbetonte Ernährung mit einem hohen Anteil an möglichst unverarbeitetem Gemüse und Obst sowie ballaststoffreichen Getreideprodukten und Hülsenfrüchten und Nüssen einfacher zugänglich zu machen. Gleichermaßen soll die Reduzierung des Konsums tierischer Lebensmittel auf ein nachhaltiges und gesundheitsförderndes Maß unterstützt werden.“
Grundsätzlich ist diese Zielsetzung äußerst sinnvoll, weil sie die Konvergenz von ernährungsphysiologischen, umwelt-erhaltenden, ökologischen und landwirtschaftlichen Erkenntnissen aufnimmt und damit eine logische Richtung vorgibt.
Wieweit gehen Verbraucher da heute schon mit?
Der aktuelle Ernährungsreport gibt dazu Hinweise, auch wenn solche Aussagen immer mit Vorsicht genossen werden müssen, weil etliche der Äußerungen versuchen, „richtige“ Antworten zu geben.
„Sehr viele Befragte kennen vegetarische oder vegane Alternativen zu Fleisch-, Fisch- oder Milchprodukten. 96 Prozent sind vergleichbare Lebensmittel auf Basis von nSoja – etwa Tofu oder Tempeh – bekannt, 89 Prozentkennen Produkte auf Basis von Getreide und 85 Prozent kennen Lebensmittel auf Grundlage von weiteren Hülsenfrüchten wie Lupinen oder Erbsen. Nahezu zwei Drittel der Befragten wissen um Alternativen basierend auf Nüssen oder Mandeln (63 Prozent) sowie Algen (60 Prozent). Weniger Befragte (38 Prozent) wissen, dass es vegetarische oder vegane Produkte gibt, die aus weiterenObst- oder Gemüsesorten bestehen.
Etwas mehr als die Hälfte der Befragten hat schon mindestens einmal (14 Prozent) oder öfters (39 Prozent) solche Produkte gekauft. Der Anteil derer, die alternative Lebensmittel öfters kaufen, ist in den vergangenen fünf Jahren um zehn Prozentpunkte gestiegen (2020: 29 Prozent, 2024: 39 Prozent) 43 Prozent der Frauen und 34 Prozent der Männer greifen öfters zu vegetarischen oder veganen Produkten. Auch das Alter spielt eine Rolle: 58 Prozent der 14- bis 29-Jährigen haben öfters vegetarische oder vegane Alternativen gekauft. Bei den über 60-Jährigen sind es 24 Prozent. Neugier ist seit 2020 der am häufigsten genannte Grund für die Kaufentscheidung. Dies geben 69 Prozent der Befragten in diesem Jahr an, die mindestens schon einmal vegetarische oder vegane Alternativen gekauft haben.
Weitere Motivationen sind: weil es den Befragten schmeckt (64 Prozent), aus Tierschutzgründen (63 Prozent) oder weil es gut für das Klima bzw. die Umwelt ist (60 Prozent).
41 Prozent der Befragten ernähren sich flexitarisch. Sie essen bewusst nur gelegentlich Fleisch und Wurst. Wie im Vorjahr geben acht Prozent an, sich vegetarisch zu ernähren und weder Fleisch noch Fisch oder daraus hergestellte Produkte zu essen. Zwei Prozent ernähren sich vegan, was ebenfalls dem Ergebnis des Vorjahrs entspricht.“
Wie bei vielen Umwelttugenden wissen inzwischen viele – insbesondere der aus einer bildungsbeflissenen Mittelschicht stammenden – Konsumenten, was man von ihnen erwartet: Mehr Pflanzenkost, regionale Produkte, pestizidfreie Bioprodukte, optimale Tierhaltung und gerne alles auch noch fair gehandelt und unter höchsten Sozialstandards hergestellt. Aber reicht das aus?
Die höchste Bereitschaft zu neuen Ernährungsstilen zeigen die jüngeren Verbraucher. Denen fehlt meist das Grundwissen zur Umsetzung ihrer Wünsche. Nur eine der klassischen Fragen dazu ist etwa die Rolle und Auswahl von Proteinen für die Ernährung. Die Besucher klassischer Sportstudios landen oft schnell bei Proteinriegeln oder Proteinshakes. Viele derer, die ihre Ernährung neu ausrichten möchten, führen noch keinen eigenen Haushalt. Das verführt zu Fertigprodukten. Pflanzenernährung in Schul- oder Hochschulmensen fehlen Zusatzinformationen. Wer für die Auswahl der richtigen Ernährung nur auf die Angaben angewiesen ist, die man in den Lebensmittelgeschäften an den Produkten findet, kommt nicht wirklich weiter. Ist aber auch nicht Sinn der Sache. Und in den sozialen Netzwerken geht es deutlich mehr um Body-Shaping und Figur als Ernährungsfragen. Gurus und Köche werfen lieber mit Schlagworten um sich als wirklich verwendbares Wissen zu bieten.
Immer, wenn man tiefer einsteigen will, sind selbst Grundvokabeln wie vegetarisch, vegan oder flexitarisch kaum noch greifbar. Und schon seit Jahren stimmen die vollmundig anmutenden Meldungen dieser Ernährungstypen mit dem tatsächlichen Umsatz der zu diesem Ernährungsstil passenden Produkte in keiner Weise überein.
Abseits aller möglichen politischen Kleinkriege – von denen es ja reichlich geben kann: Was sollte sich ändern?
Die Menschen in unserem mitteleuropäischen Kulturkreis benötigen Anleitungen für eine realistische und umsetzbare mehr pflanzliche Küche. Moralische Bewertungen alleine machen nicht satt. Und nicht jeder ideologisch perfekte Traum ist für jeden Menschen bezahlbar und umsetzbar.
Neben frischer Pflanzenküche und tollen Rezepten mit hochwertigen Hülsenfrüchten werden vor allem vertretbare und leckere Fertigmahlzeiten für vegetarisches Fingerfood wie pflanzliche Burger, Döner oder Wraps benötigt. Wenn man sieht, wie vielseitig Bäckereien heute bereits mit pflanzlichen Zutaten belegte Brote als Gegenstück zu Mettbrötchen oder Brötchen mit Fleisch anbieten, dann ist das durchaus machbar. Allein von Salat wird eine Kantine nicht pflanzlicher und für die vielen Schulmensen wäre leckere Alternative zu Pommes Frites als Pausenfüller schon ein Fortschritt.
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