Man kann – selbst als liebender Messebesucher – die Augen nicht davor verschließen, dass sich das Bild der Biofach erstaunlich verändert hat. Einst als sehr gut bewertete Hallenstandorte wie Halle 6 und 7 weisen notdürftige mit Bänken aufgefüllte leere Partien auf, Halle 1 gar eine große Freifläche. Wesentliche deutsche Bio-Akteure bleiben weg, neuerdings nun auch die meisten Fachhandels-Großhändler. Auch der Besuch der Biofach hat – trotz der Funktion als „Bio-Familientreffen“ – einen Teil seiner Anziehungskraft verloren. Und man ist alles andere als ein Nestbeschmutzer, wenn man sich darüber seine Gedanken macht.

Was könnten die Hintergründe sein?

Die naheliegende Vermutung, dass die vier regionalen Bio-Messen für den Fachhandel der Biofach das Wasser abgraben könnten, ist es wohl nicht. Die sind bei allem Respekt auch nicht besonders attraktiv und interessant.

Schon eher die unglückliche Schere dieser Messe, die sich mit vielen Aktivitäten sichtbar und geradezu bekenntnismäßig auf den Bio-Fachhandel ausrichtet, aber in den letzten 25 Jahren – de facto und in der Wahrnehmung von außen – weit stärker generelle und natürlich auch stark internationale Interessen bedient.

Der größte Druck kommt aus der veränderten Funktion von Messen.

Die Suche der Fachöffentlichkeit ist spitzer und gezielter geworden: Die Lebensmittelbranche lebt seit Jahrzehnten von Innovationen, Trends und Neuheiten. Die werden zwar auf Fachmessen nicht direkt verkauft, bilden aber das Kerninteresse der Branche im Umfeld einer Messe. Hier ist die Präsentation der Biofach viel zu sperrig. Das ist nicht gut, denn die interessierten Fachbesucher nehmen sich nun einmal immer weniger Zeit und werden immer mehr zu Rosinenpickern.

Geht man in die Details, sieht man auf der Biofach sehr gut die Tendenz, dass unter Ausstellern wie Besuchern zwar ein breites Lieferantenangebot vorhanden ist, aber dass wirklich interessante und Trendprodukte – gemessen an den Erwartungen – fehlen. Für Hersteller bietet die Messe weit mehr als für den Vertrieb. Damit wird ein lebenswichtiger Sektor vernachlässigt.

Innovationen sind immer im Plural zu sehen, nie allein vegan, nur pflanzlich oder nur raw food, sondern viele Trends und Tendenzen. Dazu die Megatrends wie neue Esskulturen, aktuelle Convenience und Visionen von Zukunftsessen. Aber das eben nicht nur als Vortrag sondern live mit Playern in der Messe.

Um all das müsste sich eine Messe aktiv kümmern, das kommt nicht von selbst.

Warum ich diese Gedanken in den Raum werfe? Nicht weil ich die Biofach madig machen möchte, sondern weil es der Biofach so gehen könnte wie manchen Kirchen, die scheinbar schleichend ihre aktiven Anhänger verlieren. Und eine neue Ernährung, auf die vor allem die Landwirtschaft wartet, benötigt eine lebendige, Impulse gebende Biofach.

Dr. Klaus-Jürgen Holstein  Biofach-Besucher oder Aussteller seit den neunziger Jahren