Die aktuelle Nestle-Studie fasst eine Fülle von bestehenden Eindrücken mit deutlich sprechenden Zahlen, die die Ernährungsveränderung der letzten zehn Jahren in Deutschland vor Augen führt: „Vor zehn Jahren legten noch 55 Prozent der Befragten Wert auf mindestens eine warme Mahlzeit am Tag. Heute sind es nur noch 45 Prozent. Ähnlich stark verliert der Mittag als wichtigste Mahlzeit des Tages. 2009 sagten noch 47 Prozent der Menschen in Deutschland, dass ihre Hauptmahlzeit mittags auf den Tisch kommt. Heute sind es nur noch 39 Prozent. Damit liegt das Mittagessen in der Bedeutung fast gleichauf mit dem Abendessen, das 38 Prozent erreicht.“ Die aktuellen Daten dokumentieren die Fülle der Verschiebungen im Verbraucherverhalten: „Vor zehn Jahren aßen 54 Prozent der Befragten mittags zuhause. Und heute? Da sind es nur noch 42 Prozent.“ Das hergebrachte Bild der Ernährung hat sich ebenso gewandelt wie die Haushalte, in denen es stattfindet: „Montags bis freitags verbringt nur noch jeder Zweite sein Mittagessen in Gesellschaft und nur 39 Prozent der Befragten frühstücken gemeinsam mit anderen.“ „Immer weniger Menschen kochen jeden Tag
„Achteten seiner Zeit noch 62 Prozent der Befragten auf feste Essenszeiten, sind es heute 52 Prozent. Gleichzeitig stieg die Zahl derer, die dann essen, wenn sie gerade Zeit oder Hunger haben von 24 auf 34 Prozent. Das macht sich auch in der Küche bemerkbar. Nur knapp die Hälfte der Bevölkerung (52 Prozent) kocht jeden Tag. 2009 waren das noch 62 Prozent“
Viele dieser Verschiebungen sind schlicht ein Spiel der veränderten Lebensumstände, aber es wäre falsch, sie nur zu beklagen, denn bei alledem ist das Bewusstsein für gute Ernährung und die Sensibilität dafür auch gestiegen: Immer mehr Menschen fühlen sich “Zerrissen zwischen hohen Ansprüchen und Alltagsstress – Gesund essen und trinken – aber mit möglichst wenig Aufwand. Das ist die Herausforderung, vor der die Menschen in Deutschland heute zunehmend stehen. Denn auf der einen Seite wachsen die Ansprüche an das Essen. Es soll gesund, frisch und von hoher Qualität sein. Auf der anderen Seite bleibt im Alltag immer weniger Zeit fürs Kochen und Genießen.
Der Wunsch, „sich gesund zu ernähren“, ist in den letzten zehn Jahren von 52 auf 55 Prozent gestiegen. Doch wie schafft man es, sich gesund zu ernähren? Für immer mehr Menschen lautet eine Antwort darauf, dass Essen frisch zubereitet wird. Ihr Anteil ist innerhalb von zehn Jahren um 13 Prozent gestiegen. Bei Müttern sind es sogar 33 Prozent mehr. Jeder Zweite in Deutschland kocht, „um zu wissen, was im Essen drin ist“. 2009 waren das noch 41 Prozent.“
Wo liegen die Ursachen für die Veränderungen? Zunächst einmal hat sich das Leben auf der faktischen Ebene geändert: Der deutlicher erhobene Anspruch von Eltern auf einen Krippen- und Ganztagsschulenplatz für Kinder, die damit gekoppelten Arbeitszeiten der Verdienenden, das alles löst traditionelle Tagesläufe und Essgewohnten auf.
Die in der Ernährung viel diskutierten Umbrüche etwa zu mehr veganer und vegetarischer Ernährung kreuzen sich mit den Resten traditionellen Rollenverhaltens von Frau und Mann: „Zum Beispiel gehören für 48 Prozent der Frauen Obst und Gemüse zur Ernährung einfach dazu. Aber nur jeder vierte Mann, also 27 Prozent, sieht das genauso. Männer sind dagegen Fleischesser. 57 Prozent genießen mindestens viermal pro Woche Mahlzeiten mit Fleisch. Bei den Frauen sind das nur 30 Prozent.“ Allerdings muss man sich bei all dem sich dessen bewusst sein, dass auch heute Frauen noch immer die Hauptadressaten für Einkauf und Ernährung sind. Der Wunsch nach gesunder Ernährung ist zunehmend vorhanden, aber sehr stark das Verlangen nach Zeitersparnis. Grundlegende Umwälzungen finden nur bescheidene Zustimmung, etwa die Ernährung mit Insektenprotein: dafür könnte sich gerade einmal 5 % begeistern
Eine andere Erkenntnis zur gesunden Ernährung bringt uns zum Nachdenken: Der Wunsch nach besserer und gesünderer Ernährung entwickelt sich immer mehr schichtenspezifisch. Die Zustimmung dazu ist bei Besserverdienenden heute über 30% höher. Gegenüber den Werten vor 10 Jahren von 10% weniger Abstand. Gute, gesunde und funktional positive Ernährung scheint immer mehr ein Thema für diejenigen zu werden, die es sich leisten können. Da deutet sich eine neue Teilung in der Ernährung an. Die Zahlen zum Thema Gesundheit in der Ernährung finden sich auch bei der Zustimmung zu Bioprodukten oder fairem Handel.
In diesem Bereich beziehen sich die Zahlen vor allem auf einen Teilbereich der Verbraucherwünsche. Die Zahlen bestätigen Trends, die bislang nie so klar abgefragt wurden: unter den Befragten ist die Zahl derer, für die Bioqualität wichtig ist, gestiegen- allerdings kommt es ihnen nicht mehr in erster Linie darauf an, ein möglichst breites Biosortiment zu erhalten. Es geht mehr um gezielte Produkte, die man sich für eine gesunde Ernährung und funktional positive wünscht. Eine sehr wichtige Erkenntnis für die Sortimentsarbeit des Handels und natürlich eine gute Leitlinie für Hersteller und ihre Angebote
Und dann aber doch noch einmal die äußerst bittre Erkenntnis, dass gerade in diesen Bereichen die Zustimmung stark vom sozialen Status der Verbraucher abhängt. Bei den besser Verdienenden Schichten steigt die Zustimmung zu Bioprodukten nahezu auf das Vierfache gegenüber den gering Verdienenden.