Gerade für den immer weiter erwachenden Biogeschmack in der Europäischen Union ist es wichtig, dass möglichst viele Lebensmittel regional erzeugt werden können. Dazu hielt nicht mehr Bürokratie mit neuen Siegeln, sondern vor allem die Stärkung von Produktion und Vertrieb vor Ort.
Die EU-Kommission will sich nach den Worten Ciolos für ein Umdenken bei der Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse stark machen und sich für Direktvertrieb sowie kurze Versorgungswege einsetzen. Eine „ortsnahe“ Versorgung mit Lebensmitteln entspreche der heutigen Auffassung, dass die Landwirtschaft wirtschaftlich wettbewerbsfähig und sozial und ökologisch nachhaltig sein sollte, sagte Agrarkommissar Dacian Ciolos am Freitag in Brüssel im Rahmen einer Konferenz zu lokaler Landwirtschaft und kurzen Nahrungsmittelversorgungsketten. Diese Absatzform sei in der Agrarpolitik lange Zeit unberücksichtigt geblieben und müsse daher zunächst neu entdeckt werden. Der Agrarkommissar will zur Unterstützung ortsnaher Produktionszweige nun politische Anreize schaffen. Dazu gehören nach seiner Auffassung Infokampagnen, Initiativen für Bauernmärkte und die finanzielle Unterstützung von Investitionen zur Gewährleistung der Lebensmittelsicherheit sowie zur Förderung des Unternehmensgeistes in ländlichen Gebieten.
Die Einführung neuer Regionalgütesiegel auf EU-Ebene sieht Ciolos eher skeptisch. Derzeit laufe dazu eine Folgenabschätzung. Es sei aber nicht seine Absicht, zu der bestehenden Etikettenflut beizutragen. Bei den Verbrauchern bestehe eine starke Nachfrage nach Produkten aus der näheren Umgebung, jeder zweite bedauere es aber, dass diese schwer zu finden und zu identifizieren seien, sagte Ciolos. Etwa 15 Prozent der Betriebe in der EU setzten aber trotz bestehender Widrigkeiten bereits über die Hälfte ihrer Produkte vor Ort ab. Er sehe zwar ein erhebliches Potential für Direktverkauf und kurze Vertriebswege, sagte Ciolos, fügte aber hinzu, dass es nicht einfach sein werde, dieses weiter zu entwickeln. So müssten die Landwirte zunächst den Handel mit ihren Produkten erlernen, eine Tätigkeit, die ihnen mit der herrschenden Agrarpolitik abhanden gekommen sei. Zudem müsse in die Höfe investiert werden, um die Verarbeitung der Erzeugnisse vor Ort zu ermöglichen und für die erforderliche Hygiene zu sorgen, ohne dass hiermit für kleine Betriebe Hürden aufgebaut würden. Ciolos machte allerdings auch klar, dass kurze Vertriebswege „kaum zur vorherrschenden Absatzform“ werden dürften. Damit bleibt er Realist.