Wenn man sieht, wie stark die Nachfrage nach veganen Produkten gestiegen ist, kann man ahnen, dass garantiert genfreier Soja und Bio-Soja in Zukunft noch viel stärker gefragt sein wird. Und man kann ahnen, was das in Zukunft bedeutet. „Ein Herz für Bio“ sprach zu diesem Thema mit Dr. Robert Brandes, Anbau- und Beschaffungsexperte für Rohware, vor allem aus Süd-Ost-Europa.

 Ein-Herz-für-Bio: „Was raten Sie all den neuen Anbietern und Herstellern Soja-basierter Produkte?“

 

 Dr. Brandes: „Wir sehen es ja gerade bei der extremen Nachfrage nach Dinkel: Es werden Produkte entwickelt und erfolgreich im Markt plaziert. Doch die Produktentwickler und die Einkäufer haben sich keine Gedanken über die Rohwarenbeschaffung und deren mittelfristige Sicherung gemacht. Da der Anbau mit der Nachfrage aber nicht Schritt hält, explodieren dann irgendwann die Preise und es tritt eine Situation ein, die dem Markt und dem Produkt schadet. Aus dieser Situation gibt es nur einen Ausweg: die Rohwarenlieferanten benötigen im Voraus klare Aussagen zu den Bedarfsmengen der Verarbeiter.  Die Verarbeiter müssen sich herauswagen und in enger Zusammenarbeit mit verlässlichen Partnern Bedarfsmengen im Vorwege sichern. Nur so gibt es eine stabile Bevorratung für die Produktion und vor allem noch kalkulierbare Preise. Im Biomarkt Produkte zu entwickeln und anzubieten – ohne eine Rohwarensicherung von Ernte zu Ernte gewährleistet zu haben, ist Irrsinn. Man kann Bioprodukte eben nicht immer „auf Zuruf“ einkaufen. Schon im Sinne der Rückverfolgbarkeit sollte man sich nur auf Kontraktanbau, langfristige Partner und stabile Lieferketten verlassen. Das hat freilich seinen Preis. Es ist aber in jedem Falle billiger als eine out-of-stock Situation.“

 

 Ein-Herz-für-Bio: „ Und wie sehen Sie aus ihrem Umfeld, die Möglichkeit noch mehr Bio-Soja und genfreie Soja-Kontingente In Süd-Ost Europa zu sichern.“

 Dr. Brandes: „Das wird nicht einfach. Der Anbau von Bio-Soja ist in Ungarn, Rumänien und den Nachbarländern landaulich nicht einfach. Beim Anbau von Soja ist die Unkrautbekämpfung ein sehr großes Problem. Konventionelle Landwirte lösen dieses Thema ganz einfach – mit Chemie. Das geht im Biolandbau natürlich nicht. Man braucht daher beim Bio-Soja entweder sehr hohes Wissen und eine gute technische Ausstattung  mit Geräten zur Unkrautbekämpfung – oder manuelle Arbeit, also Leute, die mit Hacken auf´s Feld geschickt werden! In jedem Fall eine aufwendige und kostspielige Sache. Hinzu kommen Risiken durch Trockenheit (Soja wird im Frühjahr ausgesät und im Herbst geerntet – ist also während des langen trockenen Sommers auf dem Feld). Da ist es für viele Landwirte oft zu aufwendig, zu teuer oder zu riskant, Bio-Soja anzubauen. Andere Kulturen sind da sicherer.

Vor diesem Hintergrund ist die Ausdehnung der Kapazitäten beim Bio-Soja alles andere als einfach. Ich sehe bei den Anbauern nur eine geringe Motivation.

Für den kontrollierten Anbau von genfreiem, konventionellem Soja sehe ich in den nächsten Jahren größere Chancen sowohl von den Mengen her als auch mit Blick auf die Preise. Bio-Soja ist jetzt schon fast doppelt so teuer in der Rohware wie konventionelle Ware. Wenn die Nachfrage nach Bio-Soja weiter ansteigt, wird der Preis noch weiter steigen – und ich frage mich, welche Rohwarenpreise die Produkte tatsächlich „verkraften“ können.“

Ein-Herz-für-Bio „Könnten Sie uns vielleicht noch etwas zu Mengen und Potentialen von Süd-Ost-Ezuropa für Bio-Soja und für Soja aus kontrolliert genfreiem Anbau sagen?“

Dr. Brandes…. eine Antwort mit Schätzungen:

Da kann ich auch nur auf Zahlen von Donau-Soja verweisen. Selbst in einem Soja-Land wie Österreich ist die Rohstoff-Lage auf jeden Fall angesprannt.

Soja ist zu einem zentralen Thema für die österreichische Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion geworden: Rund 600.000 Tonnen Sojaschrot pro Jahr liefern das für die Tierfütterung essenzielle Eiweiß; rund 50.000 Tonnen (der österreichischen Soja) gehen in die Lebensmittelproduktion. Obwohl Österreich mit einem in den letzten Jahren rasant steigenden Sojaanbau (2011: rd. 37.500 ha Sojaanbau in Österreich; mit einer Ernte von knapp 105.000 Tonnen Soja) zum drittgrößten Sojaproduzenten Europas aufgestiegen ist, stammen lediglich 13,3% der in Österreich benötigten Soja aus dem Inland. Der Löwenanteil – rund 570.000 Tonnen Sojaschrot und 100.000 Tonnen Sojabohnen – werden importiert, großteils aus Südamerika. Davon enthalten rund 495.000 Tonnen, also 74%, gentechnisch veränderte Bohnen.

Damit liegt ein großer Teil der Wertschöpfung in der heimischen Eiweißversorgung außerhalb Österreichs. Ein Trend, der europaweit derselbe ist: Auf rund 20 Mio. ha in Nord- und Südamerika werden Sojabohnen ausschließlich für den europäischen Bedarf angebaut – mit einem Gesamt-Import von rund 23 Mio. Tonnen Sojaschrot und 12,5 Mio. Tonnen Sojabohnen pro Jahr.“Bei kontrolliert genfreiem Soja sehe ich aber nur das Thema die Sache zu organisieren…

 Ein-Herz-für-Bio: „Und wenn wir Sie jetzt richtig verstanden haben, dann würden Sie allen ernsthaften Anbietern von neuen soja-basierten veganen Produkten dringend nahelegen, sich die Basis für ihre Produkte mindestens durch mittelfristige Kontrakte mit Anbauern zu sichern?“

Dr. Brandes: „ Ja unbedingt! Alle die, die vermeiden möchten von schwindelerregenden Preisen oder Out-of-stock-Situationen aus dem Markt gedrängt zu werden, sollten ihre Rohwarenbeschaffung durch Kontakte zur Landwirtschaft oder größeren Erfassern gut absichern.“