BIOFACH, Weltleitmesse für Bio-Lebensmittel, und VIVANESS, Internationale Fachmesse für Naturkosmetik, finden 2021 rein digital statt als BIOFACH / VIVANESS 2021 eSPECIAL vom 17. – 19. Februar. Aufgrund der aktuell dynamischen Entwicklung der Corona Pandemie trifft sich die globale Bio-Branche für ihr jährliches „Klassentreffen“ im virtuellen „Klassenraum“. Das eSPECIAL steht auf drei Säulen: Aussteller-Präsentation – Networking – Kongress. Die Pandemie verändert und digitalisiert aktuell aber nicht nur Veranstaltungsformate. Neben ihren gesundheitlichen, wirtschaft-lichen und gesellschaftlichen Auswirkungen wirft sie auch ein Schlaglicht auf die Notwendigkeit einer Öko- und Ernährungs-Wende sowie auf Transformationsbewegungen. Im Fokus des Kongresses des BIOFACH 2021 eSPECIAL daher ein hochaktuelles Thema: Die Transformation und wie sie gemeinsam von den verschiedenen gesellschaftlichen Bewegungen noch besser voran getrieben werden kann: Shaping Transformation. Stronger. Together.

Das Gleichgewicht des Planeten ist heute empfindlich gestört. Das zeigt sich unter anderem bei Klima, Böden, Wasser, anderen Naturressourcen oder der Arten-Vielfalt. Aber aktuell sehen wir auch: Solidarität und Werte sind tragfähig, gewachsene Beziehungen und nachhaltige Systeme bewähren sich, sind resilient. Doch auch die auf diesen Werten aufgebaute globale Bio-Bewegung braucht auf allen Stufen der Wertschöpfung eine zukunftsorientierte Transformation, da sind sich Experten einig.
Die Umsetzung der Öko-Wende findet dabei nicht nur auf dem Acker statt, sie braucht auch ein neues Denken mit Blick auf Ernährungsgewohnheiten und Konsumverhalten. Und nicht zuletzt ein konstruktives gemeinsames Mitgestalten des Wandels mit vielen Bündnispartnern, eine Transformation auf allen Ebenen: Für das Klima, für mehr Biodiversität, für mehr Fairness in der Lieferkette und für Ernährungsgerechtigkeit. 2021 diskutiert die internationale Bio-Bewegung genau diese Themen beim BIOFACH eSPECIAL.

Mehr Sensibilität der Konsumenten für Ernährung und Gesundheit

Wohlvertraute Abläufe, tägliche Routinen werden seit dem Beginn der Corona-Krise in allen Bereichen unseres Lebens in Frage gestellt. Was zu unserer oft wenig wertgeschätzten Prä-Corona-Normalität gehörte – immer gefüllte Regale in den Geschäften, Spezialitäten aus den entferntesten Ländern, globale Bewegungsfreiheit und vieles mehr, finden wir nun eingeschränkt. Dadurch bekommen Dinge einen neuen Stellenwert: Gesunde Ernährung, Bio-Produkte, die Herkunft und Verarbeitung von Produkten und regionaler Ware. Georg Kaiser, Geschäftsführer des Filialisten Bio Company in Berlin sagt: „Bei der Bio Company spüren wir eine noch stärkere Nachfrage nach regionalen Lebensmitteln als zuvor ohnehin schon. Durch gutes Gespür und vorausschauendes Management sind unsere Lieferketten gut abgesichert.“

Der deutsche Transformationsforscher und Sozialpsychologe Harald Welzer sagt, die Pandemie öffne vielen Verbrauchern die Augen. Wie durch ein Brennglas sehen viele plötzlich die Zusammenhänge zwischen der Pandemie und der Ausbeutung des Planeten – das ganze System sei gestört. Das führe zu einer Sensibilisierung der Konsumenten für die Beziehung zwischen Ernährung und Gesundheit. Die Stärkung des Immunsystems als Schutz vor dem Virus stehe teils sogar im Fokus, viele greifen vermehrt zu Bio-Lebensmitteln. „Wir spüren, dass Kundinnen und Kunden ihre Lebensmitteleinkäufe zunehmend bewusst gestalten und die Qualitäten der Bio-Branche zu schätzen wissen“, erklärt Lukas Nossol, Leitung Marketing / Unternehmenskommunikation, Dennree.

Handel ist systemrelevant

Auch die Leistungen aller am Handel Beteiligten erschienen durch die Pandemie in neuem Licht, sie sind systemrelevant. Nossol schildert die Situation auf dem Markt: „Das Jahr 2020 hat den Lebensmittelhandel stark gefordert. Die größte Herausforderung bestand in der vorübergehenden Spitzenbelastung der Intralogistik, die aus der bundesweit hohen Nachfrage nach Produkten des täglichen Bedarfs resultierte. Natürlich waren auch die Regelungen zur Senkung des Infektionsrisikos in unseren Naturkost-fachmärkten ungewohnt. Beides konnten wir jedoch schnell und effektiv meistern, dank der engen Zusammenarbeit mit unseren langjährigen Partnern und Lieferanten und in den Geschäften, und dank des Engagements unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.“ Ähnlich äußert sich auch Georg Kaiser, Bio Company: „Wir haben mit großem Engagement und Teamgeist die Herausforderungen gut gestemmt. Mittlerweile hat es sich gut eingespielt. Zwar haben wir in den Wellen höhere Umsätze zu verzeichnen. Dem stehen aber auch höhere Kosten gegenüber wie Personal, Einrichten von Plexiglasscheiben, Aufstellen von Desinfektionsmittelspendern, Mund-Nasen-Schutz für unsere Mitarbeiter u.v.m“.

Pandemie beflügelt Bio-Nachfrage weltweit

Amarjit Sahota, internationaler Bio-Marktexperte und Gründer von Organic Monitor Marktforschung, jetzt Ecovia Intelligence, London, spricht von einem „Coronavirus Boost für die weltweite Bio-Branche“. Von Indien über Europa bis in die USA, verzeichnen Groß- und Einzelhändler durch die Pandemie einen Nachfrageschub bis zu 40 % im Vergleich zum Vorjahr. Allen voran, boomt das Online-Geschäft so sehr, dass Amazon, der Eigner des Bio-Giganten Whole Foods, in den USA zwischendurch die Online-Bio-Lebensmittelkäufe einschränken musste, um der enormen Nachfrage nachkommen zu können, berichtet Sahota. Das neue Gesundheits-bewusstsein hat einen großen Effekt in zweierlei Hinsicht. Die Konsumenten greifen auf der ganzen Welt durchgehend mehr zu Bio-Produkten. Hamsterkäufe führten auch im deutschen Naturkostfachhandel in den unsicheren Zeiten des ersten Lockdowns zu leeren Regalen und Nachschubproblemen in einzelnen Warengruppen. Mittlerweile hat sich die Situation beruhigt und auch die Logistik, selbst für Waren aus dem europäischen Ausland sowie Übersee, funktioniert wieder.

Prognose: Die internationale Bio-Branche wird weiter profitieren

Sahota blickt auf die Bio-Marktentwicklung zurück: Bio-Lebensmittel wurden erstmals Anfang der 1990er Jahre in großem Maßstab eingeführt. Es dauerte über 15 Jahre bis der weltweite Umsatz mit Bio-Produkten im Jahr 2008 rund 50 Milliarden US-Dollar erreichte. Zehn Jahre (2018) später überschritt der Umsatz die 100-Milliarden-Dollar-Marke. Da COVID-19 die Art und Weise verändert, wie wir einkaufen und essen, könnte der nächste Sprung auf 150 Milliarden US-Dollar innerhalb der nächsten 5 Jahre erfolgen, prognostiziert Sahota. Allerdings sind einige Voraussetzungen wichtig, um das Wachstum der Bio-Branche für alle fair zu gestalten. Die Grundlagen dafür sind gelegt, wie auch Lukas Nossol betont: „Während globalisierte Warenstränge schwer zu steuern sind, auch weil man die Lieferanten teilweise nicht mehr kennt, ist die Bio-Branche gut vernetzt. Der Fachhandel kennt sein Gegenüber, mit dem man reden und Lösungen erarbeiten kann. Daher blicken wir zuversichtlich auf das kommende Jahr 2021.“

Balance zwischen Lieferländern und Absatzmärkten gestört

Jedoch ist es auch Tatsache, dass „das internationale Liefernetzwerk unter Druck geraten ist“, so Sahota. Er erklärt den Zusammenhang: Viele der Rohstoffe, die von europäischen und nordamerikanischen Bio-Lebensmittelunternehmen verwendet werden, kommen aus Asien, Afrika und Lateinamerika. Die nationalen Lockdowns und Unsicherheiten bei der Bewältigung der Pandemie haben viele Lieferketten erst einmal unterbrochen. Bio-Kleinbauern konnten aufgrund der Corona-Krise ihre Ernten nicht mehr oder nur eingeschränkt einbringen oder nicht mehr exportieren. Sie sind einmal mehr Leidtragende einer Krise. Beispiel Indien: Das Land ist Quelle für Bio-Tee, Kräuter, Gewürze und andere wichtige Bio-Rohstoffe. Gleichzeitig ist der Subkontinent einer der am schwersten von Covid-19 betroffenen weltweit.

Transformation: Die Veränderung unseres Lebensstils

Felix Prinz zu Löwenstein, Bio-Bauer und langjähriger Vorsitzender des deutschen Dachverbandes Bund Ökologischer Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) und nationalem Träger der BIOFACH, erklärt, ein entscheidender Faktor für das Vorankommen in Sachen Öko-Wende sei es, die verschiedenen Transformationsbewegungen so zu verknüpfen, dass sie kreativ und sich gegenseitig verstärkend in dieselbe Richtung wirken. Dabei gehöre Klimaschutz zu den Maßnahmen mit oberster Priorität: „Die Landnutzung hat einen erheblichen Einfluss auf unsere Klimawirkung als Volkswirtschaft. Das zeigt umso mehr, wie wichtig es ist, die Klimaschutzbewegung aktiv zu unterstützen und alle möglichen Maßnahmen zur Reduzierung des CO2-Ausstosses zu ergreifen“, so Dr. Löwenstein.