Man konnte ja ahnen: Je mehr Firmen auf modische Aussagen gehen, die dem Verbraucher aktuelle Modewerte versprechen, desto mehr wird auf Nachprüfbarkeit und Kontrolle verzichtet – ganz im Unterschied zu allen Bio-Aussagen, die auf strengen Kontrollen basieren. Lebensmittelproduzenten verzichten immer häufiger auf Geschmacksverstärker, künstliche Aromen, Farb- und Konservierungsstoffe und verpassen dadurch Getränken, Milchprodukten, Tiefkühlkost und Fertiggerichten ein natürliches Image. Mit so genannten „Clean Labels “ machen sie dies auf ihren Produkten deutlich.

Doch die mit knappen Verzichtserklärungen gekennzeichneten Lebensmittel sind oft längst nicht so sauber und ursprünglich, wie dies auf der Verpackung suggeriert wird. Vielfach ersetzen Hersteller beim Verbraucher wenig beliebte Zutaten kurzerhand durch scheinbar unverfängliche. Die Aufwertung von Lebensmitteln durch Clean Labels ist ein geschicktes, jedoch hinsichtlich der Produktqualität ein überflüssiges Marketinginstrument.

Zu diesem Ergebnis kommen die Verbraucherzentralen nach einer Überprüfung von 151 mit Clean Labels ausgezeichneten Produkten. Als Konsequenz fordern sie europaweit einheitliche Kennzeichnungsvorgaben bei der industriellen Produktion von möglichst naturbelassenen Lebensmitteln, um so Konsumenten beim Kauf eine sinnvolle Orientierung zu bieten.

„Clean Labeling“ bezeichnet das Bestreben der Lebensmittelindustrie, bei verarbeiteten Produkten auf Inhaltsstoffe mit E-Nummern zu verzichten und diese durch andere Stoffe zu ersetzen. Spezielle Angaben auf der Verpackung – wie etwa „ohne Zusatzstoffe“ oder „keine Konservierungsstoffe“ – sollen Konsumenten auf einen Blick deutlich machen, dass es sich um kein überwiegend chemisch, sondern um ein möglichst natürlich hergestelltes Lebensmittelprodukt handelt. Um diesen Eindruck zu rechtfertigen, bedienen sich die Hersteller in den Augen der Verbraucherzentrale eines geschickten Taschenspielertricks: Bei den Produkten werden die künstlichen Stoffe einfach durch andere Zutaten ersetzt, die eine ähnliche Wirkung haben, jedoch von Gesetzs wegen nicht als Zusatzstoffe gekennzeichnet werden müssen.

So wurden bei 68 Produkten – die laut Verpackungsangabe zum Würzen auf Geschmacksverstärker wie Glutamat verzichten, andere geschmacksverstärkende Zutaten – zum Beispiel Hefeextrakte – verwendet. Doch Hefeextrakte enthalten ebenfalls Glutamat, was jedoch nicht angegeben werden muss. Rund zwei Drittel der Lebensmittel wurden ausdrücklich nicht durch künstliche Farbstoffe aufgehübscht, sondern durch andere Ingredienzien – etwa durch Rote-Beete-Saft oder Spinat.

Auch bei der Verwendung von Aromastoffen griffen die Hersteller in die Trickkiste: Bei sieben von zehn Produkten, die laut Etikett „ohne künstliche Aromen“ hergestellt wurden, verwendeten sie stattdessen Geschmackstoffe, die der Gesetzgeber nicht als künstlich definiert, die jedoch trotzdem aus dem Labor stammen. Der Wildwuchs an verwendeten Formulierungen (59 unterschiedliche Bezeichnungen bei 151 Produkten), die allesamt auf den Verzicht von Chemie hindeuten, ist für Verbraucher in ihrer großen Bandbreite höchst verwirrend.

Fazit des Clean-Labeling-Checks der Verbraucherzentralen: Eine höhere Qualität bei Lebensmittelprodukten, die explizit auf bestimmte Zusatzstoffe verzichten, ist kaum erkennbar. Produkte ohne entsprechende Kennzeichnung können ebenfalls möglichst naturbelassen produziert werden. Bei dem derzeit vorherrschenden Kennzeichnungswirrwarr tragen die angeblich sauberen Labels eher dazu bei, Verbrauchern eine falsche Verlässlichkeit vorzugaukeln. Die Verbraucherzentrale fordert vom Gesetzgeber daher, klare rechtliche Regelungen für die Gestaltung und Verwendung von Clean Labels zu schaffen und Schlupflöcher zu schließen. So sollte auf einer Verpackung etwa die Angabe „ohne Geschmacksverstärker“ nur dann zulässig sein, wenn weder Geschmacksverstärker noch Ersatzstoffe in der Herstellung verwendet werden.

Den Bericht der Verbraucherzentralen  „ohne Zusatzstoffe – Clean Labeling: Werbeaussagen kritisch beleuchtet“ gibt’s hier als kostenlosen Download unter

http://www.vz-nrw.de/UNIQ128576319510265/link790351A.html