Das Problem ist nicht neu: Seit März 2010 hat das Bundesinstitut für Risikobewertung das Thema aufgegriffen. „Karton aus recycliertem Altpapier wird auch für Lebensmittelverpackungen eingesetzt. Eine Vielzahl von trockenen Lebensmitteln wie Reis, Semmelbrösel oder Nudeln kann in solchen Kartons verpackt sein. Aktuelle Untersuchungen des schweizerischen Kantonalen Labors Zürich zeigen, dass diese Recyclingkartons Mineralölanteile enthalten können. Ursprung der Mineralöle sind Druckfarben, wie sie üblicherweise im Zeitungsdruck verwendet werden. Werden Lebensmittel in derartigen Kartons verpackt, können die Mineralöle auf das Lebensmittel übergehen. In Tierversuchen wurde nachgewiesen, dass Mineralölgemische im Körper gespeichert werden und zu Schäden in der Leber und den Lymphknoten führen können. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat Möglichkeiten aufgezeigt, die ergriffen werden sollten, um ein mögliches Gesundheitsrisiko für Verbraucher zu reduzieren.“

Das trifft ins Mark herkömmlicher Ökologievertreter. Galt ihnen Recyclingpapier doch bislang immer als Symbol von Umweltschutz. Hier noch einmal die Erkenntnisse des Instituts:

Was versteht man im Zusammenhang mit Lebensmittelverpackungen unter dem Begriff „Mineralöl“?

Die in den Kartons nachgewiesenen Mineralölgemische bestehen aus gesättigten Kohlenwasserstoffen sowie aus aromatischen Kohlenwasserstoffen.

Chemisch betrachtet handelt es sich bei den gesättigten Kohlenwasserstoffen um ketten- und ringförmige Kohlenwasserstoffe (MOSH). Die Abkürzung MOSH steht für „mineral oil saturated hydrocarbons“. Aromatische Kohlenwasserstoffe bezeichnet man als MOAH – „mineral oil aromatic hydrocarbons“. Die MOAH-Fraktion besteht aus einer komplexen Mischung aus überwiegend alkylierten aromatischen Kohlenwasserstoffen.

Wie kommt das Mineralöl in die Lebensmittelverpackung aus Karton?

Für die Herstellung von Karton aus recycliertem Altpapier wird auch bedrucktes Zeitungspapier benutzt. In den meisten herkömmlich verwendeten Zeitungsdruckfarben sind Mineralöle enthalten. Diese können bisher im Recyclingprozess nicht ausreichend entfernt werden und gelangen so in die Lebensmittelverpackungen aus Karton.

Enthalten alle Lebensmittelverpackungen aus Karton gesundheitsschädliches Mineralöl?

Wenn für die Herstellung von Papier und Karton für den direkten Lebensmittelkontakt kein Zeitungspapier als Rohstoffquelle, sondern beispielsweise nur gänzlich unbedrucktes Papier oder nur Frischfasern verwendet werden, kann der Mineralölgehalt in der Verpackung minimiert werden. Allerdings kann ein Übergang von Mineralöl durch das Bedrucken der Lebensmittelverpackungen selbst auch nicht ausgeschlossen werden.

Gibt es Lebensmittel aus recyclierten Verpackungskarton, die besonders betroffen sein können?

Daten zum Übergang von Mineralölbestandteilen aus den Verpackungen auf verschiedene Lebensmittel liegen bisher nur sehr vereinzelt vor. Das BfR geht davon aus, dass besonders bei Lebensmitteln mit einer großen Oberfläche wie z.B. Mehl, Gries, Reis, Semmelbrösel oder Frühstückscerealien ein Übergang der Mineralöle aus der Verpackung auf das Lebensmittel zu erwarten ist.

Um die Datenlage zu verbessern, sind experimentelle Erhebungen auf Grundlage einer breiteren Datenbasis zum Übergang von Mineralölen aus Kartonverpackungen auf verschiedene Lebensmittel mit großer Oberfläche notwendig.

Besteht für Verbraucher durch Mineralöl in Lebensmittelverpackungen ein Gesundheitsrisiko?

Bisher liegen nur wenige Untersuchungen zum Übergang von Mineralöl aus Verpackungskartons auf Lebensmittel vor. Das Kantonale Labor Zürich hat in Reis, der in einer Faltschachtel 8 Monate gelagert war, ein Mineralölgemisch nachgewiesen. Es ist davon auszugehen, dass der gemessene Übergang zu einem wesentlichen Anteil durch das Ausgasen der Mineralöle aus dem Karton erfolgte. Welche gesundheitsschädlichen Wirkungen beim Menschen durch dieses spezielle Substanzgemisch ausgelöst werden können, kann das BfR derzeit aufgrund der unvollständigen Datenlage allerdings noch nicht ableiten.

Das nachgewiesene Mineralölgemisch im Reis bestand aus gesättigten Kohlenwasserstoffen (MOSH – mineral oil saturated hydrocarbons). Sie wurden mit Gehalten von 15,4 mg MOSH je kg Reis nachgewiesen. Dabei handelt es sich um MOSH mit einer Kettenlänge von bis zu 28 Kohlenstoffatomen. Des Weiteren wurden in dem im Reis nachgewiesenen Mineralölgemisch aromatische Kohlenwasserstoffe (MOAH – mineral oil aromatic hydrocarbons) in Höhe von 4,0 mg MOAH je kg Reis gemessen.

Diese Messdaten waren für das Bundesinstitut für Risikobewertung Grundlage für eine Beispielrechnung, in der es die Aufnahmemenge abgeschätzt hat. Dabei ist das Institut vom schlimmsten Fall (worst case Schätzung) ausgegangen, d. h. einem sehr großen Verzehr des kontaminierten Reises und damit verbunden einer hohen Mineralöl-Aufnahme. Das Ergebnis der Rechnung: Würde eine Person mit einem Körpergewicht von 60 kg eine Portion des untersuchten Reises (100 g) essen, würde sie 0,026 mg MOSH und 0,007 mg MOAH pro kg Körpergewicht aufnehmen.

Noch fehlt für eine gesundheitliche Bewertung eine ausreichende Charakterisierung der Zusammensetzung des Mineralölgemischs. Z.B. ist die Kettenlänge der Kohlenwasserstoffe dafür entscheidend, wie leicht die Kohlenwasserstoffe vom Körper aufgenommen und gespeichert werden.

 Welche Gesundheitsrisiken durch Mineralöl sind bekannt?

In Lebensmittelverpackungen (Kartons aus recycliertem Altpapier) wurden hohe Anteile an Mineralölen mit gesättigten und aromatischen Kohlenwasserstoffen nachgewiesen.

Kürzerkettige gesättigte Kohlenwasserstoffe (MOSH) werden vom Körper leicht aufgenommen und können in einigen Organen gespeichert werden. Aus tierexperimentellen Studien ist bekannt, dass derartige Mineralölgemische zu Ablagerungen und Schäden in der Leber und den Lymphknoten führen können. Die genaue Zusammensetzung der Stoffgemische in Druckfarben, insbesondere der Fraktion, die aromatische Kohlenwasserstoffverbindungen (MOAH) enthält, ist nicht bekannt. Zu der die MOAH-Fraktion ausmachenden komplexen Mischung aus überwiegend alkylierten aromatischen Kohlenwasserstoffen können auch krebserzeugende Substanzen gehören.

Grundsätzlich sind solche Kontaminationen von Lebensmitteln unerwünscht. Aus Sicht des BfR sollten daher die Übergänge von Mineralöl aus Recyclingpapier und -pappe auf Lebensmittel umgehend minimiert werden.

Hat das BfR eine Risikoabschätzung vorgenommen?

Es ist dem BfR derzeit noch nicht möglich, eine Risikoabschätzung vorzunehmen, da die Datenlage zur Bewertung von Mineralölgemischen lückenhaft ist. Recyclingkartons enthalten typischerweise 300-1000 mg/kg Mineralöl. Es ist aber nicht bekannt, wie stark Lebensmittel durch den Übergang von Mineralöl aus Kartonverpackungen belastet sind und um welche der unterschiedlichen Stoffgemische, die in Mineralölen vorkommen können, es sich im Einzelnen handelt.

Die in den Kartons nachgewiesenen Mineralölgemische bestehen aus gesättigten Kohlenwasserstoffen, die als „mineral oil saturated hydrocarbons“ (MOSH) bezeichnet werden, sowie aus aromatischen Kohlenwasserstoffen, den sogenannten „mineral oil aromatic hydrocarbons“ (MOAH). Für diese speziellen Gemische liegen keine toxikologischen Studien mit oraler Aufnahme vor. Daher ist eine Risikobewertung bisher nicht möglich. Das BfR kann zur Zeit nicht ausschließen, dass in der MOAH-Fraktion auch krebserzeugende aromatische Verbindungen enthalten sind.

Für die gesundheitliche Bewertung dieser Verbindungen ist vor allem der Anteil entscheidend, der vom Körper resorbiert wird. Es ist davon auszugehen, dass die aufgenommenen Gemische nur langsam wieder aus dem menschlichen Körper ausgeschieden werden und sich somit im Körper anreichern können.

Was schlägt das BfR vor, um das Problem zu lösen?

Das BfR hat das Problem des Übergangs von Mineralölen aus Kartonverpackungen auf Lebensmittel mit verschiedenen Experten und Herstellern von Lebensmittelverpackungen diskutiert. Sie stimmen darin überein, dass die Übergänge von Mineralöl aus Druckfarben aus recyclierten Verpackungsmaterialien in das Lebensmittel reduziert werden sollten.

Karton für Verpackungen wird aus ökologischen Erwägungen zu einem großen Teil aus recycliertem Altpapier hergestellt. Die Kontamination der Lebensmittel aus der Verpackung kann minimiert werden, wenn die Lebensmittel, die besonders empfindlich für den Übergang von Mineralöl sind, in einen Innenbeutel gefüllt werden, der undurchlässig für diese Stoffe ist oder wenn für Lebensmittelverpackungen keine recyclierten Papiere mehr verwendet würden.

Es sollte weiterhin geprüft werden, ob die Effizienz der Recyclingprozesse hinsichtlich der Entfernung von Mineralölbestandteilen verbessert werden kann.

Langfristig sollte die Zusammensetzung der im Zeitungsdruck verwendeten Druckfarben so geändert werden, dass keine gesundheitlich bedenklichen Mineralöle zum Einsatz kommen. Das wäre auch unter dem Aspekt wünschenswert, dass eine Aufnahme von Mineralölen aus Zeitungsdruckfarben auch über den Hautkontakt erfolgen könnte.

Aus Sicht des BfR ist es dringend geboten, dass alle beteiligten Industriezweige (Druckfarben, Zeitungsdruck, Erfassung von Altpapier, Papierherstellung, Verpackungsmittelherstellung, Lebensmittelabfüllung) für die Umsetzung der Vorschläge gemeinsame Anstrengungen unternehmen.

 Soweit das Bundesinstitut. Inzwischen hat die Arbeit darauf spezialisierter Labore und Testinstitute gezeigt, dass die Problematik der Einträge von Ölderivaten auf Lebensmittel weit umfassender ist: In Herstellprozessen, beim Transport – die Begegnung mit Farben und Schmiermitteln ist weit universeller. Solange die benutzten Druckfarben so sind, wie sie heute sind, macht Recycling wenig Sinn. Und das Kernthema einer ökologischen Verpackung ist mehr als ein Thema für sich. Plastiktüten und Beutel aus nachwachsenden Rohstoffen. Theoretisch möglich, aber praktisch nicht umgesetzt. Und solange der Farbdruck so bleibt wie er ist, auch ziemlich zwecklos.