Die Nachricht klang durchaus alarmierend: Die Deutsche Presse-Agentur meldete, ein Produzent in Niedersachen muss „wegen einer Belastung mit einem Pflanzenschutzmittel 1,5 Millionen Bio-Kräutertöpfe vernichten“. Pflanzenschutz-Rückstände in Bio-Kräutern? Ist das der nächste Lebensmittel-Skandal? Oder einfach nur eine Vorsichtsmaßnahme? Und ist der Stoff überhaupt ein Pflanzenschutzmittel, ein Pflanzenstärkungsmittel, oder ein Desinfektions- oder Konservierungsmittel? Oder gar ein „Pestizid“, wie die BILD-Zeitung schrieb?

Auf Nachrichten von Pflanzenschutz-Rückständen in frischen Lebensmitteln reagieren Verbraucher besonders sensibel. Aus Sicht des Industrieverbands Agrar e. V. (IVA) muss in diesem Fall besonders sorgfältig hingeschaut werden, damit die Konsumenten durch die Vielfalt der Begriffe nicht unnötig verunsichert werden. Das Wichtigste für sie: Auch wenn die Kräuter nicht mehr verkauft werden dürfen („nicht verkehrsfähig“), wäre der Verzehr nach Expertenmeinung des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) gesundheitlich unbedenklich.

Aber Halt: Sprach die dpa nicht von der „Belastung mit einem Pflanzenschutzmittel“? Wie passt das zusammen? Von dem Stoff DDAC (Didecyldimethylammoniumchlorid) wurden Rückstände über dem Höchstgehalt von 0,01 mg/kg nachgewiesen. Dies ist der Standardwert, der für alle Rückstände von Pflanzenschutzmitteln gilt, für die keine expliziten Werte festgelegt wurden; er ist bewusst sehr niedrig angesetzt, um hohe Sicherheit zu gewähren.

In der Tat findet sich DDAC als Pflanzenschutz-Wirkstoff auf der Positiv-Liste der Europäischen Union (Anhang I der Richtlinie 91/414); jedoch nur zur Anwendung in geschlossenen Räumen bei Zierpflanzen! Es gibt also tatsächlich Pflanzenschutzmittel, die die Substanz als Wirkstoff haben, jedoch nicht für die landwirtschaftliche Produktion von Nahrungspflanzen.

Es bleibt die Frage: Wie also kam der Stoff in die Bio-Kräuter? Haben die Biobauern gepfuscht? Klare Antwort: Nein. Nach jetzigen Erkenntnissen stammen die Rückstände von einem sogenannten „Pflanzenstärkungsmittel“. Nach den Anbauregeln des Ökolandbaus dürfen keine chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmittel verwendet werden. Biobauern stehen jedoch Pflanzenstärkungsmittel, die weniger strengen Regulierungen unterliegen als Pflanzenschutzmittel, zur Verfügung. Nach Auskunft der Bundesvereinigung der Erzeugerorganisationen Obst und Gemüse e. V. (BVEO) enthielt das inzwischen verbotene Mittel „Vi-Care“, das viele Bio-Bauern einsetzten, eine Beimischung von DDAC, was die Rückstände in den Kräutern erklärt.

Allerdings ist es nicht ungewöhnlich, dass ein Lebensmittel in Kontakt mit DDAC kommt. Denn der Stoff wird als Desinfektions- und Konservierungsmittel verwendet, ist also in vielen Bereichen zur Reinigung und Hygiene vorgesehen. Das BfR hält daher auch in einer aktuellen Stellungnahme einen deutlich höheren Rückstands-Höchstgehalt für angemessen. Fazit: die geltenden Bestimmungen ließen den Produzenten keine andere Wahl, als die Bio-Kräuter zu vernichten; für den Verbraucher jedoch bestand zu keinem Zeitpunkt ein gesundheitliches Risiko.