Immer mehr Fair-Auslobungen wetteifern um die Gunst der Verbraucher und die gezeigten Zeichen sind längst nicht alle. Vier Hauptfragen befeuern die Diskussion: Ab welchem meßbaren Level beginnt die Fairness?  Spielt der faire Handel nur zwischen Nord- und Süd auf der Erde eine Rolle? Sollten fair gehandelte Produkte nicht besser gleich Bioqualität haben? Darf es Fair gehandelte Produkte auch im Discount geben?

Die erste Frage ist die wichtigste: Fairer Handel muß einen substantiell positiven Beitrag für eine sonst benachteiligte Anbietergruppe leisten: kleine Kooperative, die sonst keine Produkte vermarkten können, kommen an den Markt, Gruppen lokaler Produzenten werden durch fairen Handel in Stand gesetzt, ihren Beitrag zur Rohstofferzeugung sinnvoll zu erbringen. Bei Zucker, Kakao und Kaffee besteht die Kernproblematik darin, dass die ursprünglichen Anbauer für ihre Basisprodukte viel zu wenig bezahlt bekommen und daher weder nachhaltig wirtschaften können noch ihre Familien ernähren können. Eine vergleichbare Problematik kann es auch bei Produkten aller Art geben, wenn Rohstofferzeuger für Lebensmittel wie bei Milch oder Getreide einen so geringen Preis erhalten, dass sie weder nachhaltig wirtschaften können noch ihre Familie ernähren.

Es macht schon einen Sinn, fairen Handel zunächst auf die Nord-Süd-Beziehungen zu konzentrieren. Die Grundidee ist es, wohlhabendere Genußkonsumenten daran zu erinnern, dass sie ihren Genuß von Kaffee, Tee, Schokolade und and anderen Leckereien nicht auf  Elend und Naturzerstörung in anderen Teilen der Welt aufbauen sollten. Unter Pestiziden leidende Plantagenarbeiter wie etwa beim Bananenanbau sollten der Vergangenheit angehören. Theoretisch gibt es auch auf der nördlichen Halbkugel benachteiligte Gruppen von Anbauern, aber das nachzuweisen wird schwierig. Alte Getreidesorten, Milch, Hopfen, Fischzucht: Sind das wirklich benachteiligte Gruppen von Anbauern? Schon der Klassiker, die Milchbauern, zeigen , wie schwer die Definition sein wird: In der Schweiz bekommen Milchbauern generell einen höheren Milchpreis – also ist das Land die Heimat der fairen Milch. Die Hauptaufgaben der Fairness liegt noch immer bei massenweise angebauten Naturprodukten wie etwa der Baumwolle, wo nachhaltiger Anbau und nachhaltige Verarbeitungsbedingungen – sowohl in der Wahl der chemischen Mittel wie in den Verhältnissen für die Menschen – Das wäre ein Feld, auf dem Fairness sich beweisen könnte.

Wie Bio und Fair zusammenhängen: Der Zusammenhang ist inhaltlich: Unfaire Handelsbedingungen für Naturprodukte enden in der Ausbeutung von Mensch und Natur. So es für benötigte Rohstoffe keine erträglichen Preise gibt, können die Anbauer nicht mehr nachhaltig wirtschaften und beuten sowohl die Natur wie sich selbst aus, um überhaupt überleben zu können. Der enge Zusammenhang von Bio und Fair liegt daran, dass Biolandwirtschaft die nachhaltigste Form des Anbaus ist, Wenn man also beispielsweise nicht möchte, dass Landarbeiter eingehüllt in Pestizidwolken ihre Arbeit verrichten müssen, dann ist Biolandwirtschaft die Lösung. Egal – wie man es nennt – nur eine streng kontrollierte Nachhaltigkeit sorgt in diesem Fall für ordentliche und gesundheitlich erträgliche Arbeitsbedingungen.

Und kommen wir dann noch zu der letzten Frage, ob Discounter in der Lage sein können, faire Produkte zu bieten. Wer dies verneint, der schließt in Deutschland 40% des Lebensmittelvertriebs von der Fairness aus. Das sollte man nicht tun. Aber man sollte genau hinsehen, wie fair die Fairness im Einzelfall ist.  Zu Tiefstpreisen gehandelte Fair-Rosen haben vor Augen geführt, dass die Grenzen gefährlich fließend sind. Und wenn wir uns einmal vor Augen halten, wie derzeit Baumwollkleidung weltweit gehandelt wird, dann wäre dies eine gigantische Aufgabe für den Fairen Handel.

Zum Schluß: Möge sich jeder der Anbieter von Fair-Siegeln einmal selbst prüfen,  welchem Anspruch von Fair seine Absichten genügen. Und es wäre sehr schön, wenn eines ausgeschlossen würde – nämlich Fair-Auszeichnungen dazu zu verwenden, um Produkte lediglich besser  vermarkten zu können, ohne einen substanziellen Beitrag zur Fairness zu leisten. Irgendwann werden kritische Journalisten und Verbraucher unredliche Deklarationen entdecken und die Enttäuschung wird dann umso größer werden.