Logisch: zu einer Leitmesse passen immer auch gute Zahlen und positive Trends. Und die entsprechende Fachpresse nimm das dann zum Anlass die Wichtigkeit herauszustreichen. Keine Frage: Bio hat einen festen Platz im Bereich der Lebensmittel. Selbst in Deutschland wird jetzt auch darüber in Koalitionsverhandlungen darüber nachgedacht, den Bioanbau zu steigern und erstmals Ziele zu nennen. Der Biokonsum hat seinen Platz bei den Menschen, der Bioanbau täte der Natur und dem Land gut und im Zuge der Wünsche nach  einer gesunden Ernährung spielen diese Themen eine wichtige Rolle.

 Aber unterhalb der global positiven Zahlen gibt es eben auch Entwicklung, die nicht nur Anlass zur Freude geben. Auch die Leitmesse Biofach tut gerne so, als ob der Bio-Fachhandel der wichtigste Träger der Bioentwicklung sei. In Deutschland stimmt das längst nicht mehr. Alle Versuche, noch zu halbwegs schönen Zahlen zu gelangen enden damit, dass die Bedeutung des Fachhandels für die Bioentwicklung in Deutschland abnimmt, dass LEH-Vollsortimenter, Discounter und Drogeriemärkte heute für diese Entwicklung eine viel größere Rolle spielen als klassische Bioläden und Bio-Supermärkte. Dann ist der Weg nie weit zu der Behauptung, dass die Preispolitik von Discountern und Drogeriemärkten dem Fachhandel die Luft zur Entwicklung genommen hätten.

Discounter gehen im Schnitt rund 200 Bioprodukten an den Markt, Drogeriemärkte mit vielleicht rund 1000. Der Fachhandel strich immer gerne heraus, dass er mit einem Angebot von 6000 Produkten viel besser aufgestellt sei. Vielleicht stehen hinter dieser Zahl einfach nicht die richtigen Produkte. Wenn man sich überlegt, dass zum Beispiel die französischen Bio-Fachhandelsketten in den Metropolen durch moderne ansprechende Fachgeschäfte und ein zahlenmäßig begrenztes, aber qualitativ attraktives Angebot so gut sind, dass sie ihre Stellung gegenüber den wahrhaft starken Vertretern des Vollsortiments in einer Phase des Wachstums gut behaupten können.

 Woran könnte es also liegen, dass der Bio-Fachhandel in Deutschland nicht so überzeugt, wie er das gerne täte?

 Das könnte sehr stark an den Zielgruppen liegen, die er in erster Linie anspricht, nämlich traditionelle Biokunden – oder das, was manche darunter verstehen. In der Vergangenheit unterschied man in diesem Zusammenhang gern zwischen „den richtigen Biokunden“ und den „Gelegenheitskäufern“. Und dabei hat man schlicht übersehen, dass sich unter den sogenannten Gelegenheitskäufern längst eigene Profile gebildet haben, nämlich Kunden, die Bio nach der eigenen Wichtigkeit wählen: moderne Frühstückszutaten, Smoothies, auch schon einmal Fertiggerichte und mehr Convenience und gerne auch viele neue Ideen zum Probieren. Viele Bioläden bedienen dieses Profil viel zu wenig. Ein moderner Drogeriemarkt wie etwas dm erreicht heute längst einen breiten Teil dieser Käuferschicht und es ist deutlich zu bequem solche Unterschiede allein auf die gebotenen Preise abzuschieben. Natürlich – auch die französischen Nachbarn haben inzwischen gelernt, dass Bioprodukte nicht nur die Überzeugung, sondern auch Preisgrenzen kennen. Und eine Analyse des Bio-Fachhandels in Deutschland zeigt, dass die Einstellung auf den aktuellen Markt eben auch etwas mit einem Generationswechsel bei Kunden, Händlern und Herstellern zu tun hat. Allein mit den Rezepten der Pioniere kann das heutige Bioangebot nicht mehr zu den Kunden und in den Markt finden. Und man sollte aufhören, hinter solchen Veränderungen eine Verwässerung der Qualität und der Ideale zu vermuten.