Die öffentliche Auseinandersetzung zwischen dem Zentralverband der deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG) und dem Verband Lebensmittel ohne Gentechnik hat Symbolcharakter. Durch die aktuelle Diskussion über den noch immer zu hohen Feischkonsum kommt natürlich auch die Frage auf, wo das Futter dafür herkommt. Da in Deutschland Dreiviertel der Bevölkerung etwa die Genteiuchnik ablehnen, aber längst nicht ausreichend Futtermittel im eigenen Land angebaut werden, kocht eine Diskussion hoch, die auch noch die Qualität von importierten Soja aus Indien und Südamerika einschließt.
Seit rund 14 Jahren verzichten – so sagen die Geflügelhalter – die deutschen Hähnchen- und Putenhalter – als einziges Segment innerhalb der Fleischerzeugung – in weiten Teilen auf gentechnisch verändertes Soja in ihrem Futter. „Die deutsche Geflügelwirtschaft hat große Anstrengungen unternommen, um Geflügelfleisch von Tieren anbieten zu können, die gentechnikfreies Futter bekommen“, erklärt Rainer Wendt, Vorsitzender des Bundesver- bands bäuerlicher Hähnchenerzeuger e.V..
Heute müssen die deutschen Geflügelhalter ihre Zusage, gentechnikfreies Futter zu ver- wenden, aus verschiedenen Gründen zurücknehmen. Das Angebot an GVO-freiem Soja wird in 2014 geringer sein. So hat einer der weltweit größten Sojaproduzenten im Hauptlie- ferland Brasilien erklärt, nur noch 50 % der Vorjahresmenge bereit stellen zu können. Begründet wird dies mit einer verstärkten Nutzung der Anbauflächen für GVO-Soja auf- grund des deutlich höheren Ertragspotentials im Vergleich zu GVO-freien Sorten.
Der in den vergangenen Jahren stark gewachsene Anbau von GVO-Soja führt zudem immer häufiger, bereits auf den brasilianischen Soja-Feldern, zu sogenannten „Kreuzkon- taminationen“. Auch auf dem Produktionsweg, bei der Lagerung und beim Transport ist die Gefahr von Kontaminationen in den letzten Jahren drastisch gestiegen. „Trotz hoher Inves- titionen und intensiver Anstrengungen seitens der Geflügelwirtschaft, jegliche Form der Kontamination zu vermeiden, nimmt die Zahl dieser von Jahr zu Jahr zu“, erklärt Thomas Storck, Vorsitzender des Verbandes Deutscher Putenerzeuger.
Die Angebotsknappheit von GVO-freiem Soja stellt eine auch in anderen Ländern schwer- wiegende Herausforderung dar: Britische Einzelhändler haben bereits im April des vergan- genen Jahres ihre Gentechnikfrei-Garantie für Eigenmarken zurückgezogen, da nicht aus- reichend gentechnikfreies Futter zur Verfügung stünde. Der dänische Verband Dansk Slagtefjerkræ beschloss den Rückzug im Dezember 2013. „Diese Entwicklung macht auch vor Deutschland nicht Halt“, so Rainer Wendt und Thomas Storck. Eine Fütterung ohne Gentechnik für die Hähnchen- und Putenaufzucht in Deutschland sei angesichts der aktu- ellen Marktsituation leider nicht mehr sicherzustellen. Die speziellen Futtermittelwerke zur Herstellung von Geflügelfutter brauchen eine durchgängige Lieferkette von einwandfreiem GVO-freiem Soja, welche für die benötigten Mengen jedoch nicht mehr garantiert werden
Zur Stellungnahme des Zentralverbandes der deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG), die Zusage der deutschen Geflügelhalter gentechnikfreies Futter einzusetzen, zurückzunehmen, kommentiert Alexander Hissting, Sprecher des Verbandes Lebensmittel ohne Gentechnik (VLOG):
Die Ankündigung der Geflügelindustrie wieder gentechnisch verändertes Tierfutter in der Produktion von Hähnchen und Puten einsetzen zu wollen, ist nicht nachvollziehbar und ein klarer Rückschlag für Umwelt und Verbraucher. Die große Mehrheit der Verbraucher wünscht sich gentechnikfrei produzierte Lebensmittel. Große Supermarktketten wie Rewe und Edeka haben sich das Ziel gesetzt für Ihre Eigenmarken in Zukunft ganz auf gentechnisch verändertes Soja zu verzichten. Eine größere Akzeptanz für gentechnikfrei produziertes Geflügelfleisch kann es am Markt nicht geben.
Analysten gehen von einem steigenden Anbau und Angebot von gentechnikfreiem Sojaschrot aus Brasilien in 2014 aus. Laut Branchenkennern kommen dieses Jahr neue und große Anbieter für gentechnikfreies Sojaschrot auf den Markt. Die Verschiffung per Container wird deutlich zunehmen, um das Verunreinigungsrisiko mit gentechnisch veränderter Ware zu minimieren.
Die Argumente der Gefügelindustrie, die Rechtslage für die Gentechnikkennzeichnung von Futtermittel sei zu unsicher, sind vorgeschoben. Große Unternehmen der Molkereibranche produzieren seit Jahren gentechnikfrei und loben ihre Produkte erfolgreich mit dem “Ohne Gentechnik”-Siegel aus.
Der VLOG fordert die PHW-Gruppe und die Rothkötter Unternehmensgruppe auf Ihre Entscheidung zu überdenken und ist für konstruktive Gespräche jederzeit bereit.